CfP: Musikalische Praktiken – Soziale Taktiken (Berlin)
CALL FOR PAPERS
Musikalische Praktiken – Soziale Taktiken
Zugehörigkeit und Gemeinschaftsbildung, Abgrenzung und Marginalisierung
Deadline: 31. Januar 2025
Konferenz: 25. – 27. September 2025, Universität der Künste Berlin
Organisation: Christine Hoppe (Universität der Künste Berlin), Henrike Rost (mdw - Universität für Musik und darstellende Kunst Wien)
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Musikbezogene Praktiken sind mehr als nur Handlungen, die mit künstlerischen Schöpfungen korrespondieren. Als Routinen spiegeln sie soziale, politische und kulturelle Dynamiken wider und können als Katalysatoren zu Veränderung führen. Dabei werden musikalische Praktiken bewusst oder unbewusst zugleich auch als Taktiken angewandt, um musikkulturelle Zugehörigkeit zu erlangen, um soziale Ordnungen zu festigen oder herauszufordern, um Gemeinschaft zu formen oder Räume zu erweitern.
In Hinblick auf grundlegende methodische Rahmungen interessiert sich die (historisch arbeitende) Musikwissenschaft schon länger für musikbezogenes Handeln unterschiedlichster Akteur:innen in ihren spezifischen sozialen und räumlichen Kontexten (u.a. Rode-Breymann 2007) und damit auch für vielfältige Praktiken. Für die Konferenz schlagen wir eine praxeologische Perspektive vor (vgl. auch Unseld/Bebermeier 2018), die das Soziale als ein Bündel von Praktiken und (alltäglichen) Routinen zu erfassen sucht. Dabei sind sowohl die Körperlichkeit der handelnden Subjekte als auch die sie umgebenden Materialitäten essentiell (Reckwitz 2003). Daran anschließend möchten wir erkunden, wie musikalische Praktiken als soziale Taktiken kulturelle Ordnungen etablieren und aufbrechen können.
Über welche Praktiken und Routinen bilden sich musikkulturelle Zugehörigkeit und Identifikation? Wie werden musikalische Praktiken genutzt, um soziale Abgrenzung zu schaffen?
Welche Praktiken und Routinen stärken den Zusammenhalt in einer musikbezogenen Gemeinschaft?
Welche Mechanismen führen zu Marginalisierungen in der Musikkultur (Race/Class/Gender)? Welche Praktiken spielen dabei eine Rolle?
Welche Veränderungen von Praktiken und Routinen führen zur Öffnung von Elitenkultur?
Welchen Praktiken folgen marginalisierte Individuen und Gruppen, um soziale Teilhabe, Mobilität und kulturelle Anerkennung zu erlangen?
Über welche Praktiken werden alternative musikalische Räume geschaffen bzw. Handlungs- und Einflussmöglichkeiten erweitert und umgestaltet?
Folgende Schwerpunkte interessieren uns besonders:
1. Elitismus und Exklusion
Die klassische Musiktradition wird oft mit elitären Strukturen und Exklusivität assoziiert. So ist der Zugang zu Musikhochschulen, zu führenden Orchestern und Opernhäusern durch bestimmte soziale und kulturelle Normen geprägt. Welche Praktiken innerhalb der Ausbildung oder der Aufführungspraxis tragen zur sozialen Abgrenzung bei? Wie haben sich diese Praktiken im Laufe der Zeit verändert, um Musikeliten zu öffnen oder zu festigen?
2. Gemeinschaftsbildung und Vernetzung
Musik hat das Potenzial, Gemeinschaft zu stiften und Menschen zu vernetzen. Praktiken des geselligen persönlichen Austauschs, wie etwa in der Salonkultur, spielen dabei eine ebenso große Rolle wie Briefkontakte, Widmungspraktiken und Empfehlungsschreiben. Welche Praktiken kennzeichnen die Netzwerk- und Gemeinschaftsbildung? Welche Bedeutung haben dabei Etikette, Anstandsregeln oder auch Humor?
3. Gender
In der europäischen Musikgeschichte wurden und werden Komponistinnen und musikalische Akteurinnen marginalisiert und unsichtbar gemacht. Wie haben Frauen trotz struktureller Hindernisse in der Vergangenheit komponiert und ihre Werke zur Aufführung gebracht? Welche Praktiken haben sie entwickelt, um ihr musikalisches Wirken und Handeln sichtbarer zu machen? Und wie gelingt Diversifizierung in der Konzertlandschaft aktuell?
4. Ethnische und soziale Zugehörigkeit
Klassische Musik wurde traditionell als weiß und westlich kodiert. Dadurch wurde eine Exklusion von nicht-europäischen Musiker:innen und Komponist:innen verstärkt. Inwiefern führte die Auffassung von klassischer Musik als kultureller „Hochkultur“ zur Marginalisierung von People of Color ebenso wie von Menschen mit eingeschränktem Zugang zu Bildung?
5. Alternative Räume
In der Gegenwart entstehen vermehrt Initiativen, die klassische Musik für marginalisierte Gruppen zugänglicher machen, etwa in Form von Orchestern für Jugendliche aus sozial benachteiligten Verhältnissen (El Sistema) sowie für Musiker:innen of Color (The String Archestra). Welche Räume entstehen dadurch, und wie beeinflussen die daran gebundenen Praktiken elitäre Strukturen in der klassischen Musikszene?
Wir freuen uns über Zusendung eines Abstracts (max. 400 Wörter) sowie einer Kurzbiographie (max. 150 Wörter) auf Deutsch oder Englisch bis zum 31. Januar 2025 an: c.hoppe[at]udk-berlin[dot]de. Eine Rückmeldung zur Auswahl der Beiträge erfolgt bis zum 1. März 2025.
Tagungssprachen sind Deutsch (und wahlweise Englisch). Eine Publikation ausgewählter Beiträge ist geplant.
Es wird ein Antrag auf Förderung gestellt. Im Falle einer Bewilligung können Fahrt- und Übernachtungskosten übernommen werden.
Für Fragen stehen die Veranstalterinnen (c.hoppe[at]udk-berlin[dot]de, rost[at]mdw.ac[dot]at) gerne zur Verfügung.