CfP: HipHop im 21. Jahrhundert. Narrative, Mythen und Brüche. Zur Produktion von Mannigfaltigkeit.

Call for Paper
HipHop im 21. Jahrhundert. Narrative, Mythen und Brüche. Zur Produktion von Mannigfaltigkeit.
08./09. Dezember 2023 in Ludwigsburg

Deadline: 02. Juni 2023

ORT: Pädagogische Hochschule Ludwigsburg, Institut für Musik, Kunst & Sport

VERANSTALTER:
Prof. Dr. Michael Rappe Prof. Dr. Thomas Wilke
(Hochschule für Musik und Tanz Köln) (Pädagogische Hochschule Ludwigsburg)

Mehr Informationen hier.

HipHop wird 50 Jahre alt. Diese scheinbar schlichte Aussage birgt nicht nur den Hinweis auf ein zu begehendes Jubiläum, sondern zugleich auf eine diskursiv fixierte Geburtsstunde des amerikanischen HipHops: Die am 11. August 1973 von Kool DJ Herc in der 1520 Sedgewick Avenue New York veranstaltete Party, der dazu existierende Wikipedia-Eintrag zementiert zudem den Anspruch auf den Geburtsort, an dem zum ‚Geburtstag‘ eine entsprechende Party den Anlass zelebriert und wiederholt. Dass dieses Jubiläum darüber hinaus ernst genommen wird, zeigte nicht nur die 65. Grammy-Verleihung in diesem Jahr, in deren Rahmen ein knapp 15-Minütiges musikalisches Show-Feuerwerk auf der Bühne stattfand und vielen Songs der Rapgeschichte Tribut gezollt wurde. Paramount kündigte schon Ende 2022 vielfältige Programminitiativen an, nicht nur über Reaktivierung bestehender älterer Produktsegmente wie YO! MTVRaps, sondern auch zusätzlicher Dokumentationen. In der Bronx soll pünktlich zum Jubiläum ein Hip-Hop Museum eröffnen, in diesem Zusammenhang spendet Mass Appeal einen Teil der Erlöse der eben gestarteten zehnteiligen EP-Kollektion HipHop 50.

Das Jubiläum birgt im Weiteren eine gewisse Ambiguität, denn das Jubiläum ist in erster Linie ein New Yorker, weniger ein amerikanisches oder gar ein weltweites. Gleichwohl ist die Geschlossenheit nur eine scheinbare, sich schaut man auf die dynamische Entwicklung in diesem Zeitraum, stilistisch, technisch, ökonomisch, trans- pro- wie regressiv, aber auch inter- , trans- wie auch subkulturell und ebenso hyperkulturell oder kulturessenzialistisch.

In dieser kurzen, begrifflichen Schraffur wird schon deutlich, dass die Entwicklung alles andere als homogen, widerspruchsfrei und immer überall gesellschaftlich akzeptiert war, vielmehr ist sie gezeichnet von vielfältigen Narrativen, Brüchen und Mythen. Diese zeigen sich in Form von Technologien, kommerziellen Erfolgen oder Skandalen, aber auch von Generationswechseln. Eine zentrale Rolle spielen dabei Mythen, wie eben der der ersten Party, die Möglichkeiten des Technics-1210er, der ersten Jam, des ersten Wholetrain, der ersten Cipher etc., denn Mythen transportieren in ihrem Narrativ iterativ nicht nur eine spezifische Form von Erinnerungskultur, sondern initiieren diese zugleich. Dabei ist nicht immer zwingend das erste Ereignis als

Ursprungserzählung zur Hand, Deutungshoheiten, uneindeutige Erinnerungen, Unwissen spielen dabei ebenso eine Rolle. Unabdingbar ist dabei die Berücksichtigung der medialen Grundierung von HipHop über Fotos, Filme, Tonträger, Equipment, Musikvideos etc. Die gegenwärtige Entwicklung ist kaum außermedial zu begreifen und zu fassen. Reichweitenstarke Aktivitäten innerhalb von sozialen Medien finden außerhalb der sozialen Medien nur wenig Nachhall.

Narrative wie Mythen unterliegen Transformationen, Krisen wie auch Brüche in der räumlichen und zeitlichen Verbreitung und Tradierung. In Narrativen wie ‚dem Ghetto‘ oder „Mein Block“, werden Fragen der Herkunft, des Sozialen, der Vergemeinschaftung, der Identität und der Zukunftserwartungen virulent und deren audiovisuelle Umsetzung schlägt sich in Bildern, Gesten, Tattoos und Musikvideos nieder. Vergangenheits- wie auch zukunftsorientierte Narrative lassen sich im HipHop in progressive (bspw. Anerkennung, Respekt, Empowerment, Teilhabe, sozialer Aufstieg, wirtschaftlicher Erfolg, Identität aber auch MKII, FinalScratch oder FatCap etc.) und regressive (bspw. Gewalt, toxische Männlichkeit, Sexismus, Rassismus, Homophobie, Kulturessentialismus etc.) unterscheiden. Narrative sehen wir zum einen als analysierbares Phänomen an, zum anderen als diskursives Artikulationsinstrument in Handlungssituationen. In diesem Zusammenhang soll die Medialität von HipHop in der globalen Verbreitung und der lokalen Aneignung berücksichtigt werden, wie auch die zum Ausdruck kommende Mannigfaltigkeit von HipHop sowohl innerhalb der Musik als auch außerhalb in Form von Beatboxing, Beatmaking, Breaking, Writing, DJing.

Der Call for Paper stellt u.a. die Frage in den Vordergrund, in welcher Art und Weise in einer zunehmend digitalen Welt Narrative, Mythen und Präsenz produziert werden. In verschiedenen Ausführungsformaten und praktischen Settings ist es unumgänglich, präsent zu sein. Der /Die Writer*in an der Wand, der B-Boy, das B-Girl im Battle, der/die Rapper*in auf der Bühne, im Cipher, im Freestyle, in der Performance oder der/die Beatboxerin, der/die Beatproduzenten, der/die DJs. Wie ist es aber um diese Settings bestellt und liegt es ausschließlich an Rahmenbedingungen, die für die Präsenz verantwortlich gemacht werden können? Im Prozess der Hervorbringung des Hervorzubringenden, in der Kommunikation mit dem/den anderen, in der (A-)Synchronität mit dem ‚Ich‘. Es geht hier nicht um einen interpretatorischen Zugang, der nach latenten Sinnstrukturen fragt, die es aufzudecken gilt. Vielmehr geht es um die Frage nach der Medialität und letztlich der Körperlichkeit, in der sich nicht nur spezifische Körperpraxen eingeschrieben haben, sondern über die Präsenz des Körpers mannigfaltig zum Ausdruck kommen. Es stehen keine bloßen Bedeutungszuschreibungen im Zentrum, sondern ebenso die Frage, woraus sich der in der Szene nach wie vor relevanter Aspekt von Respekt hergestellt, erneuert und als beständige Referenzgröße medial/in situ produziert wird. Folgende Schwerpunkte mit Fokus auf deutsche bzw. kollaborative Entwicklungen und Phänomen sind stichwortartig vorgesehen, eigene Vorschläge, die die aufgeführten weiterverfolgen, sind gern gesehen:

I. Narrative, Mythen & Brüche

  • Progressive und/oder regressive Narrative

  • Konstitutive, dekonstruktive Mythen in Wort, Bild, Ton, Bewegung

  • Traditionslinien und -brüche im MCing, DJing, Breaking, Graffiti

  • Narrative wie mythische Kontinuitäten und Diskontinuitäten

II. Aspekte und Dimensionen von Tradierung, Tradition

  • Kulturelles Gedächtnis von Hip Hop in situ und in actu

  • Archiv, Historisierung und Oral History

  • Selbstreferenzialisierungen von Sozialisierungsmomenten und kulturellen Praxen

  • Medialisierung, Medialität zwischen analoger Rückbesinnung und Künstlicher Intelligenz

III. Präsenz und Mannigfaltigkeit im MCing, DJing, Breaking, Graffiti

  • Style, Stile und Ausdruck, Professionalisierung

  • Eindeutigkeit vs. Ambiguität von Knowledge

  • Wahrnehmung, Erfahrung und Beobachtung

  • Performance, Performanz, Performativität

HINWEISE FÜR ABSTRACTS
Die Tagung bietet unterschiedliche Formate an, um eine differenzierte Auseinandersetzung und Analysen in Theorie und Praxis zu ermöglichen. Wir möchten Sie herzlich einladen, Abstracts zu Panelbeiträgen und künstlerisch-praktischen Workshops/kontextualisierte Perfomances einzureichen. Eine Kostenübernahme für Referent*innen ist beantragt, eine Publikation der Beiträge geplant.

I. PANELBEITRÄGE (20-30 min)

Die Bewerbung für Panelbeiträge sollte folgende Angaben enthalten:

  • Titel und Abstract des Beitrags (ca. 1500 Zeichen inkl. Leerzeichen)

  • Kurz-Vita (max. 500 Zeichen inkl. Leerzeichen).

II. WORKSHOPS (90 min)

Die Workshops sind auf 90 Minuten angelegt und finden mit einer begrenzten Anzahl an Tagungsteilnehmenden statt. Bitte geben Sie Ihren Bedarf an Räumlichkeiten und Technik an und wenden Sie sich bei Fragen direkt an uns.

  • Kurzbeschreibung des Workshops (max. 1500 Zeichen inkl. Leerzeichen)

  • Kurz-Vita (max. 500 Zeichen inkl. Leerzeichen)

  • Angabe der benötigten Räumlichkeiten & ggf. des Materials

Bitte senden Sie Ihre Vorschläge bis 02. Juni 2023 an:
Prof. Dr. Michael Rappe | Michael.Rappe[at]hfmt-koeln[dot]de

Prof. Dr. Thomas Wilke | thomas.wilke[at]ph-ludwigsburg[dot]de

Bitte ordnen Sie Ihr Abstract/Ihren Workshop einem der drei Themenschwerpunkte zu und machen Sie deutlich, ob es sich um einen Originalbeitrag handelt. Über die Annahme wird bis zum 12.06.2023 entschieden.

CFP, NewsHelene Heuser