CfP: Narrating Musicology: Fachgeschichte(n) der Musikwissenschaft, September 2021, Bern
CfP: Narrating Musicology: Fachgeschichte(n) der Musikwissenschaft
Internationale Tagung des Instituts für Musikwissenschaft
der Universität Bern vom 5.–8. September 2021
Die Abstracts (max. 300 Wörter) sind bis zum 01. Februar 2021 an
narratingmusicology@musik.unibe.ch zu senden. Die Ergebnisse des anonymen Begutachtungsverfahrens werden im März 2021 bekanntgegeben.
Achtung: Dies ist eine aktualisierte Fassung des im Oktober 2019 veröffentlichten Call for Papers. Aufgrund der Corona-Pandemie musste die ursprünglich für Oktober 2020 geplante Konferenz auf September 2021 verschoben werden.
Im November 1996 fand an der Universität Bern ein fachgeschichtliches Kolloquium unter dem Titel Musikwissenschaft – eine verspätete Disziplin? statt. Die Ergebnisse wurden im Jahr 2000 in einem gleichnamigen, von Anselm Gerhard herausgegebenen Sammelband dokumentiert. Tagung und Publikation verfolgten den Ansatz, weniger von einzelnen Personen und Institutionen auszugehen. Vielmehr sollte der Blick auf ideengeschichtliche Tendenzen der Musikwissenschaft seit der Gründungsphase Ende des 19. Jahrhunderts, auch über den deutschsprachigen Raum hinaus geworfen werden. Dies stellte einen wichtigen Impuls für das vergleichsweise „spät“ aufkeimende Interesse an der Vergangenheit des Fachs dar. Das 100-jährige Gründungsjubiläum des Berner Instituts 2021 gibt die Gelegenheit, nach mehr als zwei Jahrzehnten eine Zwischenbilanz zu ziehen: Wo steht die Fachgeschichtsforschung heute? Wie hat das Nachdenken über das Fach die Musikwissenschaft in Forschung und Lehre verändert? Ist Musikwissenschaft (noch immer) eine „verspätete“ Disziplin?
Die traditionelle Dreiteilung des Fachs Musikwissenschaft in historische, systematische und anthropologische Herangehensweisen, sowie die Etablierung unabhängiger Nachbardisziplinen wie Musiktheorie und Musikpädagogik, prägen auch die fachhistorische Forschung. So entstanden verschiedene, mehr oder weniger isolierte und zum Teil parallel existierende fachhistorische Diskussionen, eben verschiedene Fachgeschichten. Die Konferenz legt nun erstmals und umfassend einen Schwerpunkt auf den inter– und intradisziplinären Dialog. Das Berner Kolloquium vor zwanzig Jahren beleuchtete das Spannungsfeld in der Entwicklung eines akademischen Faches „zwischen Fortschrittsglaube und Modernitätsverweigerung“, zwischen internationaler Ausstrahlung und nationalchauvinistischen Tendenzen, das bis in die 1990er Jahre hinein seine Wirkung entfaltete. Doch gelten diese Erkenntnisse heute noch genauso wie damals?
Einen ersten Schwerpunkt bildet die Frage, ob die Offenlegung der jeweils historisch bedingten ideologischen Fallstricke und kulturspezifischen Paradoxien des Faches das Selbstverständnis der Musikwissenschaft verändert hat: Wie wirkmächtig bleiben nationale, soziale und ethnisch konnotierte Faktoren in wissenschaftshistorischen Schwerpunktsetzungen? Die Tagung nimmt die Vielfalt fachhistorischer Erzählungen in den Blick. Sie fragt nach Motivationen und grundlegenden Narrativen verschiedener (regionaler) Musikwissenschaftsgeschichten. Dabei möchte sie den Fokus von der westlichen akademischen Hemisphäre auf globale Musikforschungstraditionen ausweiten.
Ein zweiter Schwerpunkt der Tagung liegt auf der Frage nach dem Zweck von Fachgeschichtsforschung. Welche Wechselwirkungen ergeben sich zwischen disziplinärer Selbstbeobachtung und Betrachtungen der Forschungsgegenstände? Was sind die Gegenstände fachgeschichtlicher Forschung? Zudem sollen die Akteure im Bereich der Fachhistoriographie zum Gegenstand gemacht werden: Wer erzählt Fachgeschichten und mit welcher Motivation? Wieviel Gewicht kommt Institutionen und einzelnen Akteuren bei der Konstruktion von Fachgeschichtserzählungen zu? Welche Rolle spielen Fachgeschichten innerhalb der Profil- und Identitätsbildung von Wissenschaftler*innen, Schulen und Denktraditionen? Wie gestaltet sich fachhistorische Forschung von Musikwissenschaftler*innen in Zeiten von Debatten um Digitalen Wandel und Dekolonialisierung?
Seit der Veröffentlichung des ersten CfPs zur Tagung im Oktober 2019, der auf ein breites Echo gestossen ist, hat sich in der öffentlichen Debatte und im Fach Musikwissenschaft vieles verändert. Die von den Vereinigten Staaten ausgehenden Proteste gegen offenen und strukturellen Rassismus haben in verschiedenen Bereichen der Disziplin hitzige Debatten entfacht. Die Diskussionen um die «Whiteness» der Musikwissenschaft, um Antisemitismus in der Musiktheorie oder zur Dekolonialisierung in der Musikethnologie verdeutlichen, dass es im Fach akuten Gesprächsbedarf gibt. Deshalb sieht sich das Organisationskomitee in der Verantwortung, diesen Debatten zusätzlichen Raum zu geben. Die Neuveröffentlichung des CfPs bietet zudem die Möglichkeit, darüberhinausgehende aktuelle fachhistorische Forschungen in die Konferenz einzubringen. Weiterhin soll die Tagung ein generationenübergreifendes Diskussionsforum bieten, das zum Austausch zwischen Wissenschaftler*innen aus den verschiedenen Teilbereichen der Musikwissenschaft, der Musiktheorie und der Musikpädagogik anregt.
Die Kernthemen sind:
Schwerpunktsetzungen musikwissenschaftlicher Fachgeschichte (inter-/nationale und ‑regionale Faktoren, Inter- und Intradisziplinarität)
Wechselwirkungen zwischen disziplinärer Selbstbetrachtung und Forschungsgegenständen (Akteure, Methoden, Institutionen, Digitaler Wandel)
Diversität und Inklusivität des Fachs Musikwissenschaft und seiner Subdisziplinen
Wir freuen uns über Proposals (max. 300 Wörter) zu einem der folgenden Veranstaltungsformate:
Einzelvorträge (20 Minuten plus 10 Minuten Diskussion)
Panels (Drei Vorträge zu einem Thema mit einer Gesamtdauer 90 Minuten)
Roundtables oder Workshops
Präsentationen von Filmen, Tonträgern oder anderen Medien.