Tagungsbericht Abilaschan Balamuraley

Der Fokus der IASPM DACH 3rd Biennal Conference lag auf den Dynamiken, Präsentationen und Repräsentationen in und um Popmusik auf dem globalen Markt. Im Zuge von Postkolonialismus und (vermeintlichen?) Demokratisierungsprozessen in der Musik wurden einhergehende Aspekte und die Verteilung von Machtverhältnissen und Strukturen weltweit im popmusikalischen Feld genauer betrachtet, analysiert und verhandelt. Inwiefern beeinflussen Aspekte wie soziale (Nicht-)Mobilität, geopolitische/digitale Grenzen und postkoloniale Identität den künstlerischen Austausch, verbunden mit Offenheit und Toleranz in einer sich immer mehr globalisierenden Welt? Es stellte eine große Herausforderung für die Veranstalter*innen der Konferenz dar, die Vielfältigkeit der Popular Music Studies innerhalb eines Tagungsprogramms unterzubringen. Im folgenden Konferenzbericht werde ich zentrale Fragen der Tagung darlegen und persönliche Eindrücke, die mir auf der Tagung wichtig erschienen, zusammentragen.

Den Auftakt der Konferenz machte Jenny Fatou Mbaye mit Ihrer Keynote zu „Cultivating Cosmopolitics“. In Ihrem Vortrag über Hip Hop-Kultur als urbane populäre Bewegung in West Afrika verdeutlichte sie die Relevanz von Popmusik als identitätsstiftende Kraft und als Mittel für kulturelle und politische Kommunikation. Sie versteht diese praktizierte Musikkultur als Möglichkeit, für bislang weder sichtbare noch hörbare Communities mit ihren Geschichten in Erscheinung zu treten und dadurch in Form von künstlerischen Darbietungen innerhalb ‚eigener‘ und ‚anderer‘ Räumen zu agieren.

Das darauffolgende Opening Panel mit Laurence Desarzens, Umlilo und Ali Gul Pir veranschaulichte mit persönlichen Erlebnissen Beispiele aus der international ausgerichteten praktischen Musik-/Festivalbranche. Diskutiert wurden die Herausforderungen und Hindernisse, welche sich Künstler*innen und Promoter*innen bei internationalen Kooperationen stellen müssen. Das Panel konkretisierte die Unausgewogenheit von (kultur-)politischen Freiheiten zwischen dem globalen Norden und Süden z.B. in Bezug auf Visa-Politik, staatliche Repressionen und die Zensur von künstlerischer Freiheit und künstlerischem Ausdruck.

Umso beeindruckender, mit welcher Entschlossenheit und Motivation Ali und Umlilo mit ihrer Musik – sei es politische Musiksatire oder ‚gender pushing political pop music‘ – auf gesellschaftliche Missstände hinweisen und auch virtuellen Communities eine Stimme geben. Selbst auf die Gefahr hin, ihr eigenes Leben zu riskieren, sehen beide Künstler* in ihrer Musik einen Beitrag für eine bessere und gerechtere Welt.

Um der globalen Unverhältnismäßigkeit der Popmusik etwas entgegen zu bringen, braucht es eine ‚attitude of the south‘, d.h. es ist notwendig sich zu solidarisieren, zu organisieren und gemeinsam für gleiche faire Verhältnisse einzustehen: „Stick together! Change of the popculture is taking place!“, so Umlilo.

Welche Bedeutung haben Geografie und Geopolitik für Promoter*innen, Booker*innen und Kurator*innen von Festivals? Darauf antwortete Laurence Desarzens, dass gerade die Visa Policy-Problematik ganz aktuell sei. Auf Veranstalter*innenseite gebe es zwar ein großes Interesse daran, ein diverses Programm zu erstellen, die politische Situation in bestimmten Herkunftsländern von einigen Künstler*innen, wo autoritäre Regimes an der Macht seien, beeinflusse jedoch indirekt auch Festivals, Venues und ihre Bookings anderorts.

Spannend fand ich auch Desarzens Unterscheidung von Kultur und Unterhaltungsbooking sowie ihre Anmerkung dazu, wie man als Veranstalter*in zwischen entsprechenden Konditionen ‚switchen‘ muss: „As a private promoter there are other limits!“. Springt man auf einen Trend auf und soll die Spielstätte mit dem ‚Angesagten‘ füllen oder möchte man einen/ eine Künstler*in aufgrund seiner/ihrer politischen Kontrovershaftigkeit einladen und somit gesellschaftsrelevante Debatten entfachen?

Es gab eine Reihe von Tagungsbeiträgen, welche sich kuratorischer Praktiken und damit einhergehender Verantwortung in Popmusik- und Festivalkontexten annahmen. Neben meinem Studium der Kulturwissenschaften und ästhetischen Praxis an der Universität Hildesheim bin ich auch Teil des kuratorischen Teams der diesjährigen Ausgabe von Klangstärke, einem studentisch organisierten Festival für experimentelle Musik und Sounds in Hildesheim. Deshalb war ich gespannt und freute ich mich besonders mit großer Erwartung auf Bianca Ludewigs Vortrag zu Festivals und Szenen experimenteller elektronischer Musik in Europa: „Aktuelle Diskurse und Debatten zu Differenz und Machtverhältnis anhand des Transmediale Festivals 2016 und der Arbeit ‚New Geographies in Berlin‘“. Kritisches Hinterfragen von Repräsentation und damit einhergehende Exklusion wurden von dieser Ausgabe des Festivals gefordert. Inwiefern dies den Kurator*innen gelungen ist, untersuchte Ludewig indem sie über mehrere Jahre das Transmediale Festival in Berlin besuchte und Material in Form von Beobachtungen und Interviews sammelte. Bianca Ludewigs Forschungsdraft zu der Gattung Hybrid Festivals, die verschiedene Medien und Kunstformen bedienen, war für mich eine Art Bestandsaufnahme zur gegenwärtigen Situation kuratorischer Praxis von einem international einflussreichen Festival.

Die drei beschriebenen Beiträge zeigen auf, wie aktuell und unausweichlich Global Relations und Popular Music zusammengehören. Außerdem bin ich der Überzeugung, dass wir dazu angehalten sind, über politische Missstände und Umstände in der Popmusik nachzudenken und uns dazu zu positionieren. Neue Entwicklungstendenzen bzw. Phänomene in der Popmusik, derer ich mir bis dato nicht bewusst war, haben mir neue Perspektiven aufgezeigt und vor allem auch mein kritisches Verständnis gefördert.

Ich möchte mich an dieser Stelle nochmal beim Vorstand und Beirat des IASPM D-A-CH für die Reiseunterstützung und Förderung von Nachwuchswissenschaftler*innen bedanken. Damit ermöglichen sie es, einen direkten Einblick in die aktuellen Forschungen dieses vielseitigen Feldes gewinnen zu können.

Folgende Frage aus Dr. J. Mbayes Keynote empfinde ich persönlich als einen guten Ausblick und Schlusssatz für diesen Bericht: „Wie kann sich Wissenschaft in der Lehre, Forschung und Praxis populärer Merkmale bedienen und über die ‚wirklichen Belange/Interessen und Sorgen‘ vermitteln und erzählen?“.