3. Collegium Musicum Populare, Wien 2018, Konferenzbericht (Laura Schwinger)
Konferenzbericht
von Laura Schwinger
Zum dritten Mal bot das IASPM D-A-CH Collegium Musicum Populare jungen WissenschaftlerInnen im Bereich der Popular Music Studies Gelegenheit, eigene Forschungsarbeiten vorzustellen und sich in fachliche Diskussionen einzubringen. Unter dem Titel „Viele Wege, viele Ziele? Methodische und akademische Praktiken in den Popular Music Studies“ ging es am 25. und 26. Mai 2018 am Institut für Musikwissenschaft der Universität Wien dementsprechend insbesondere um methodische Fragestellungen.
Seinem Ziel, TeilnehmerInnen aus verschiedenen frühen Stadien ihrer Forschungslaufbahn ein Podium zu gewähren, wurde das CMP gerecht – die vorgestellten Projekte reichten von der geplanten Master- bis zur abgeschlossenen Doktorarbeit. Dabei trugen ReferentInnen, die sich erst im Stadium der Konzeption befanden, wie z.B. Hendrik Keusch oder Christian Jalen, ebenso zum Erfolg der Veranstaltung bei wie beispielsweise Anita Mellmer, die mit ihrer inzwischen vollendeten Dissertation „Fingerpicking/Fingerstyle“ zum zweiten Mal auf dem CMP vertreten war.
Die von vielen Vortragenden eingesetzten ethnografischen Methoden bildeten einen Schwerpunkt der Diskussionen. In ihrer Hinwendung zum Ethnografischen beschreiten die Popular Music Studies dabei nicht nur inhaltlich, sondern auch methodisch Wege, die etwa von denen der klassischen Musikwissenschaft abweichen und die sich auch in anderen Disziplinen der Popular Music Studies in letzter Zeit großer Beliebheit erfreuen. In den Vorträgen kam auf anschauliche Weise zum Ausdruck, dass eine solche interdisziplinäre Herangehensweise auch Herausforderungen mit sich bringt und Fragen aufwirft. Die methodenkritischen Betrachtungen der „Gruppe Transdisziplinäre Musikforschung“ zeigten, welche Rolle die eigene Position als Mitglied einer Szene oder als informierte Hörerin für die teilnehmende Beobachtung spielen kann. Eine Reflexion des eigenen Vorgehens vollzog ebenfalls Hannes Liechti, der auf die Parallelen wissenschaftlicher Arbeitspraxis mit dem kreativen Prozess des Samplings hinwies. Rege Diskussionen zu Fragen hinsichtlich des Zugangs zu Feld und Quellen sowie der Planung von Interviews – auch im Hinblick auf die Durchführbarkeit im Rahmen der geplanten Arbeit – zeigten eine große Bereitschaft seitens der TeilnehmerInnen, die eigene Forschungsarbeit als eine gefilterte Darstellung des Untersuchten anzuerkennen. Kritisch diskutiert wurde insbesondere die Frage, ob der musikrezipierende Mensch als Forschungsgegenstand nur als soziokulturell konstituiert verstanden werden kann, oder ob Rückschlüsse auf eine seiner Rezeption zugrunde liegenden Materialität zulässig sind.
Neben ethnografischen Herangehensweisen bildete die Auseinandersetzung mit der Verbindung von Musik und Film bzw. Video einen weiteren Schwerpunkt innerhalb der Vorträge. Patricia Pia Bornus, Pascal Rudolph und Henriette Engelke zeigten Wege, sich diese Medien mittels interdisziplinärer Ansätze für musikwissenschaftliche Perspektiven und die der Popular Music Studies zugänglich zu machen.
Einen informativen Einblick in das breite Spektrum an Forschungszugängen bot Jan Hemming, der sein Buch „Methoden der Erforschung populärer Musik“ vorstellte und die Entstehungshintergründe der Publikation sowie seine Situation als Autor beleuchtete. Auf großes Interesse stieß auch die Diskussion „Karrierewege in den Popular Music Studies“, die Raum bot für Fragen an die erfahrenere Generation, sowohl hinsichtlich des beruflichen Weges in den Forschungs- und Lehrbetrieb als auch mit Blick auf die Lebensplanung als WissenschaftlerIn. Redebedarf wie auch Antwortbereitschaft waren groß; für diesen Programmpunkt zukünftig noch mehr Zeit einzuräumen, würde sich lohnen.
Neben einem gelungenen Programm sorgten auch das persönliche Engagement der Organisatoren Julio Mendivil und Bernhard Steinbrecher, eine ausgezeichnete Verköstigung in den Pausen und abendliche Zusammentreffen für einen funktionierenden Austausch zwischen Generationen, Forschungsperspektiven und Standorten. Die Ausdehnung des bisher eintägigen CMP auf zwei Tage ist eine sinnvolle und wiederholenswerte Investition.
Beiträge:
· Patricia Pia Bornus: Das lange Schweigen der Musik. Methodische Problematiken in der Beschäftigung mit Musikvideos
· Pascal Rudolph: Björk als Selma als Björk: Die Adaption des Popstar-Images in Dancer in the Dark
· Henriette Engelke: Die hybride Stellung der Musik zu Opernverfilmungen der Stummfilmzeit
· Christian Jalen: „Air- Guitar“ - Expressions: gestische Umsetzung emotionaler Qualitäten im musikalischen Ausdruck
· Hannes Liechti: Prinzipien des Samplings in der Forschung
· Hendrik Keusch: Das Problem der Privilegierung schriftsprachlicher Diskurse in der Popularmusikforschung am Beispiel der Techno Studies
· Martin Macho: Zum Wandel des "Begehrens" zum "Aufgebehren" in der "68er-Generation"
· Maryam Momen Pour Tafreshi: Der Besuch von Popmusikfestivals als Ritual der Alltagsbewältigung
· Jan Hemming: Methoden der Erforschung populärer Musik – Impulsvortrag & Diskussion
· Anita Mellmer: Fingerpicking/Fingerstyle. Mikrokosmos der Methodenwahl?
· Emiliano Sampaio: Music for Jazz Symphonic Orchestra
· Max Ruhmann: „The only one to make you feel this way“ - Rezeptionsformen auf die Popsängerin in der queeren Szene Kölns
· Svenja Reiner: „I love John Cage!“ Affektive Hörpraktiken von Neue Musik Publika
· Daniel Suer: „And it gets you headbanging from time to time“: Methodische Ansätze zur Erforschung von Bewegungsaffordanzen im Heavy Metal
Photocredit: Bernhard Steinbrecher, Julio Mendevil und Jan Hemming
Programm
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