CfP: GFPM-Jahrestagung 2023 "Rock Your Body: Körper in Interaktion mit populärer Musik" (14.-16.09.2023, Siegen)
GFPM-Jahrestagung 2023
Rock Your Body: Körper in Interaktion mit populärer Musik 14.-16.09.23
Universität Siegen
Deadline: 31.01.2023
- englisch Version here -
I. Zum Thema der GFPM-Jahrestagung
“I wanna dance with somebody, I wanna feel the heat with somebody”
– gesungen von Whitney Houston (1987)
Musiken sind körpergebunden. Wir hören und empfinden sie unmittelbar, wir bewegen uns zu ihnen, sehen Körpern in Musikvideos und auf Konzertbühnen zu, wir erweitern unsere Kör- per durch Instrumente oder nutzen sie selbst zur Klangerzeugung. In den Popular Music Stu- dies wird die Körpergebundenheit von Musik seit der Etablierung des Forschungsfeldes the- matisiert. Die GFPM-Jahrestagung 2023 möchte daran anknüpfen, indem sie sich die aktuelle Erforschung von Körpern in Interaktion mit populärer Musik zum Thema setzt. Zur Konkreti- sierung werden im Folgenden vier Schwerpunkte umrissen, die als Anregungen oder Aus- gangspunkte für mögliche Beiträge dienen sollen. Darüber hinaus ist die Tagung offen für wei- tere Impulse zum Thema.
1. Körper, Subjekte und das Populäre
Die singende, shoutende oder rappende Stimme bringt Körperbilder hervor, indem sie unmit- telbar als weiblich, Schwarz, alt etc. gehört wird. Solche Assoziationen müssen jedoch nicht mit dem singenden Subjekt identisch sein. Über Aufnahmetechniken – wie etwa Autotune oder Vocoder – können sich Stimmen, Körper und somit Referenzen ‚authentischer‘ Stimmen voneinander lösen (vgl. Weheliye 2002, Jacke 2013, Müller 2018). Wie wirkt sich dies in Genres aus, die solche Effekte nutzen? Wie werden Körpernormen und -grenzen in populären Musik- performances hervorgebracht, aufrechterhalten, eingerissen oder verschoben? Inwiefern ha- ben Subjekte Kontrolle über ihre Körper als Fans, Musiker*innen, Stars und mehr? Körperspektakel prägen die Stile vieler Musiker*innen: Vom Duckwalk Chuck Berrys bis zu Pinks Artistikeinlagen finden sich in populären Musiken Kombinationen von Instrumentalspiel oder Gesang mit spektakulären Bewegungsformen. Inwiefern wirken körperliche Spektakel als Marker einer high/low-Distinktion? Inwiefern setzt sich eine solche Distinktion in konstruier- ten Differenzen zwischen ‚head music‘ und ‚leg music‘ fort? Und inwiefern prägen Konnotati- onen von Körperspektakeln deren Zuschreibung zum Populären oder Nicht-Populären?
2. Interagierende Körper
Körperliche Interaktionen mit populärer Musik können vielfältige Formen annehmen. So ist z. B. Tanz, verstanden als Körperbewegung in Interaktion mit Musik, eine zentrale Praxis, wenn es um das Verhältnis von Musik und Körpern geht (vgl. Wicke 2000). Tanz ermöglicht sowohl individuelle Interaktionen mit Klängen als auch die Interaktion mit anderen Akteur*in- nen qua Bewegung: mit anderen Tanzenden, aber auch mit denjenigen, die Musik hervorbrin- gen – von Tanzkapellen über Rockbands und DJs bis zu den Hologrammen von körperlich abwesenden Stars. Wie stellen sich tänzerische Interaktionen zwischen diesen und weiteren Akteur*innen und Aktanten dar?
Instrumente und MusikmachDinge (Ismaiel-Wendt 2016) sind zentrale Interaktionselemente in populären Musikpraxen. Sie erweitern die körperlichen Möglichkeiten der Klangerzeugung, wobei sich hinsichtlich des Grades der körperlichen Involviertheit von Musiker*innen unter- scheiden lässt. Welche Körper(lichkeiten) prägen den Umgang mit Instrumenten und Techno- logien – und wie prägen solche Interaktionen die Körperlichkeit populärer Musik (vgl. Just 2022)?
3. Verbundene Körper
Nicht erst das Coronavirus hat vor Augen geführt, dass menschliche Körper mit anderen We- sen zusammenleben, vielmehr auf ein Zusammenleben angewiesen sind und artenübergrei- fend Bedingungen der körperlichen Existenz teilen (vgl. Latour 2014, Tsing 2015, Haraway 2016). Dies gilt auch für Musikkulturen; Musikinstrumente oder Schellack-Schallplatten etwa aus sogenannten Naturmaterialien sind Zeugnisse der – nicht immer einmütigen – musikkul- turellen Relationen von Menschen und Tieren (vgl. Devine 2019). Die Thematik der Tagung fordert dazu heraus, Vorstellungen isolierter (menschlicher) Körper ebenso zu hinterfragen wie traditionelle Dichotomien zwischen Natur und Kultur oder Körper und Geist. Welche Ver- bindungen gehen Körper in populären Musikkulturen ein? Wie lassen sich populäre Musiken und ihre körperlichen Praktiken im Verhältnis zu Kultur-Natur-Dichotomien verorten?
4. Forschende Körper
Da sich die Popular Music Studies bereits seit Langem mit Körpern auseinandersetzen (vgl. z. B. Middleton 1990, Frith 1996, Whiteley 1997), will die Tagung einen selbstreflexiven Blick auf die Erforschung von Körpern werfen. Was kennzeichnet die Auseinandersetzung mit Kör- pern in wissenschaftlichen Disziplinen, die populäre Kultur und Musik erforschen? Worauf ist die Konjunktur des Themas zurückzuführen? Neben fachhistorischen Perspektiven laden wir zu Reflexionen darüber ein, wie Körper(lichkeiten) von Wissenschaftler*innen ihre Forschung prägen (vgl. Hirschauer 2008). Wie kann das Körper-Wissen aller Akteur*innen im Forschungs- prozess produktiv genutzt werden?
II. Vielfältige Beiträge gesucht
Die Tagung soll einen möglichst vielfältigen Austausch über das umrissene Thema bieten. Ge- rade die Körper-Thematik eröffnet viele Möglichkeiten für Workshop- und Praxisformate oder hybride Beiträge mit Theorie- und Praxisanteilen (z. B. Audio-Papers, Film-Screenings, (Lec- ture-)Performances, Simulationen, Tanz-Workshops etc.). Ebenfalls wird zu traditionellen For- maten wie Vorträgen und Podiumsdiskussionen eingeladen. Wie immer sind Mitglieder der GFPM (und jene, die es werden möchten) auch eingeladen, in freien Beiträgen ihre Arbeit vorzustellen (machen Sie in dem Fall bitte einen entsprechenden Vermerk im Abstract).
Bitte reichen Sie Beitragsvorschläge (Workshop-/Praxisformate: 45 min; Einzelvorträge: 30 min + 15 min Diskussion; Panels: 90 min) bis zum 31. Januar 2023 in Form eines Abstracts von höchstens 300 Wörtern zzgl. Bibliographie als Word-Dokument per E-Mail an die Adresse gfpm2023[at]popularmusikforschung[dot]de auf Deutsch oder Englisch ein. Fügen Sie bitte auch eine Kurzbiographie (max. 150 Wörter) hinzu. Über die fristgemäß eingereichten Vorschläge wird in einem anonymen peer-review-Verfahren mit Reviewer*innen aus dem Board der GFPM und den lokalen Organisator*innen bis zum 15.03.2023 entschieden.
Die GFPM vergibt Reisekostenunterstützung an Mitglieder in der Early Career-Phase und/oder in prekären/nicht vorhandenen Beschäftigungsverhältnissen, um eine Teilnahme an der Kon- ferenz zu ermöglichen. Weitere Informationen hierzu folgen über den GFPM-Newsletter.
Bei Fragen wenden Sie sich gerne an das Team Populäre Musik und Gender Studies unter pmgs@musik.uni-siegen.de.
Lokales Organisationsteam:
Prof. Dr. Florian Heesch, Lea Jung, Dr. Reinhard Kopanski, Theresa Nink, Daniel Suer, Yalda Yazdani
Bibliographie
Devine, Kyle (2019): Decomposed. The Political Ecology of Music, Cambridge, MA/London: MIT Press.
Frith, Simon (1996): Performing Rites: On the Value of Popular Music, Cambridge, MA: Harvard University Press.
Haraway, Donna (2016): Staying with the Trouble: Making Kin in the Chthulucene, Durham, NC: Duke University Press.
Hirschauer, Stefan (2008): „Körper macht Wissen – Für eine Somatisierung des Wissensbegriffs“, in: Karl-Siegbert Rehberg (Hg.): Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel. Die Natur der Gesellschaft, Frankfurt am Main: Campus, S. 974–984.
Houston, Whitney (1987): I Wanna Dance With Somebody (Who Loves Me), Arista Records: AD1-9599.
Ismaiel-Wendt, Johannes (2016): post_PRESETS. Kultur, Wissen und populäre MusikmachDinge (=MusikmachDinge. ((audio)); Bd. 1), Hildesheim: Universitätsverlag Hildesheim/Olms.
Jacke, Christoph (2013): „Inszenierte Authentizität versus authentische Inszenierung: ein Ordnungsversuch zum Konzept Authentizität in Medienkultur und Popmusik“, in: Dietrich Helms/Thomas Phleps (Hrsg.): Ware Inszenierungen. Performance, Vermarktung und Authentizität in der populären Musik (=Beiträge zur Popularmusikforschung; Bd. 39), Bielefeld: Transcript, S. 71–95.
Just, Steffen (2022): „Über Bässe in der Magengrube, flatternde Hosen und affizierte Körper: Popular Music Studies, New Materialism und der Klangbegriff der stofflichen Verkoppelung“, in: Beate Flath/Christoph Jacke/Manuel Troike (Hrsg.): Transformational POP: Transitions, Breaks, and Crises in Popular Music (Studies) (=Vibes – The IASPM D-A- CH Series; Bd. 2), Berlin: IASPM D-A-CH, S. 63–85.
Latour, Bruno (2014): Existenzweisen. Eine Anthropologie der Modernen, Berlin: Suhrkamp.
Middleton, Richard (1990): Studying Popular Music, Milton Keynes: Open University Press.
Müller, L.J. (2018): Sound und Sexismus. Geschlecht im Klang populärer Musik. Eine feministisch-musiktheoretische Annäher- ung, Hamburg: Marta Press.
Tsing, Anna Lowenhaupt (2015): The Mushroom at the End of the World. On the Possibilities of Life in Capitalist Ruins, Princeton, NJ: Princeton Univ. Press.
Weheliye, Alexander G. (2002): „‘Feenin’: Posthuman Voices in Contemporary Black Popular Music“, in: Social Text, Vol. 20, Nr. 2, Durham: Duke University Press, S. 21–47.
Whiteley, Sheila (Hg.) (1997): Sexing the Groove: Popular Music and Gender, London/New York: Routledge.
Wicke, Peter (2000): „Sound-Technologien und Körper-Metamorphosen. Das Populäre in der Musik des 20. Jahrhun- derts“, in: ders. (Hg.), Rock- und Popmusik (= Handbuch der Musik im 20. Jahrhundert; Bd. 8), Laaber: Laaber, S. 11–69.