Nachbericht: 4. IASPM D-A-CH-Tagung Paderborn 2021

„Herzlich Willkommen in Paderborn“, so hätte die Begrüßung zur vierten Edition des deutschsprachigen Zweiges der renommierten „International Association for the Study of Popular Music“ vom 11. bis zum 13. März 2021 normalerweise lauten sollen. Das Team um Prof. Dr. Christoph Jacke (Chair/Vorsitzender von IASPM D-A-CH 2016-2021), Jun.-Prof. Dr. Beate Flath und Manuel Troike vom Fach Musik und den dortigen transdisziplinären Studiengängen „Populäre Musik und Medien“ nahm sich nach einer durch die Pandemie verursachten Verschiebung nunmehr der Aufgabe an, die Konferenz in digitalen Räumen und leider nicht in der Paderborner Universität, dem Theater, Museum und lokalen Clubs stattfinden zu lassen: Mit über 280 Teilnehmer*innen inklusive Studierenden aus Paderborn und Bern wurde unter der Überschrift „Transformational POP: Transitions, Breaks, and Crises in Popular Music (Studies)“ über drei Tage online diskutiert, gearbeitet und vernetzt – und abends virtuell bei einem Getränk „zusammengestanden“, sich fachlich ausgetauscht und auch mal gescherzt oder Musik vorgespielt.

„Es ist eine besondere Herausforderung, in diesen Zeiten eine solche Tagung zu organisieren“, so die Präsidentin der Universität Paderborn, Prof. Dr. Birgitt Riegraf in ihren Begrüßungsworten, die denen des Dekans der Fakultät für Kulturwissenschaften Prof. Dr. Volker Peckhaus und des Fachsprechers des Fachs Musik Prof. Dr. Heinrich Klingmann voraus gingen. Umso mehr freue sie sich, dass die IASPM D-A-CH-Tagung „in Paderborn“ stattfindet, denn die Universität Paderborn verstehe sich als Forschungsstandort, an dem Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Bildung und Mobilität mit Blick auf die Zukunft interdisziplinär wissenschaftlich bearbeitet und Transformationen reflektiert und auch angestoßen werden.

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Assoc.-Prof. Dr. Kyle Devine, Universität Oslo,

hielt eine Keynote zu politischen und ökologischen Dimensionen von Musik.
Foto: Katharina Schmecht, Uni Paderborn.

Als inhaltlicher Auftakt hielt der kanadische Popmusikologe Assoc.-Prof. Dr. Kyle Devine, Universität Oslo und Chair von IASPM Norden, eine Keynote zu politischen und ökologischen Dimensionen von Musik und zeigte auf, dass das angeblich „immaterielle Gut“ Musik sehr wohl – auch digital – ökologische Auswirkungen auf die Umwelt und den Klimawandel hat. Es müsse eine grundlegende Veränderung in unseren Denkmustern stattfinden: Musik sei zwar nicht der Hauptakteur in der Umwelt- und Klimazerstörung, aber es ist eben das Feld, in dem Popmusikforscher*innen etwas verändern können. In der zweiten Keynote am Freitag diskutierte die Bildungssoziologin Prof. Dr. Bettina Kohlrausch, Professorin für gesellschaftliche Transformation und Digitalisierung an der Universität Paderborn und Wissenschaftliche Direktorin des WSI der Hans-Böckler-Stiftung, die sozialen Bedeutungen des Begriffs der Transformation und stellte Ergebnisse großer empirischer Studien zum sozialen Wandel in Deutschland vor.

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Prof. Dr. Bettina Kohlrausch, Universität Paderborn,

diskutierte in ihrer Keynote die sozialen Bedeutungen des Begriffs der Transformation.
Foto: Katharina Schmecht, Uni Paderborn.

Popmusikkulturen können als Seismografen gesellschaftlicher Transformationen gelesen und studiert werden – so lautet der Ansatz der Paderborner Pop-Studienprogramme. In den Sessions Pop-Policy-Polity-Politics, Pop and Environmental Climate Transformations, Pop and Academia, Pop and Public/ Published Opinion(s) und Pop, Memories, Histories, and the Archives waren daran angebunden weitere über 40 Vortragende aller Qualifikationsstufen unterschiedlichster Perspektiven, Disziplinen und Haltungen aus u.a. Ecuador, UK, den Niederlanden, der Tschechischen Republik, Österreich, der Schweiz und Deutschland von einer Fachjury ausgewählt eingeladen, ihre aktuellen Studien, Projekte und Forschungsthemen vorzustellen. Darunter befanden sich auch Paderborner Doktorand*innen und Mitarbeiter*innen sowie Jun.-Prof. Dr. Flath mit Kolleg*innen des aktuell laufenden BMBF-Projektes „kulturPreis“ zum Zusammenhang von alternativen Preiskonzepten und kultureller Teilhabe sowie Prof. Dr. Christoph Jacke mit einem Panel zu Transformationen von (Musik-)Journalismus.

Neben diesen Panels gab es Musikclips der Pop-Studierenden aus Paderborn zu sehen, die kurz moderiert und vielfach von Tagungsgästen nachgefragt wurden. Überdies konnte der schweizerische Dokumentarfilm „Contradict“ zur politischen und kulturellen Dimension von Popmusik in Ghana von Peter Guyer und Dr. Thomas Burkhalter von den Teilnehmer*innen exklusiv gestreamt werden. In einer lebhaften Q&A-Session diskutierten Dr. Thomas Burkhalter (norient.com), Manuel Troike und das Publikum, angelehnt an den bewegenden Film, über die demokratisierenden Elemente digitaler Musikproduktion, den dokumentarischen Ansatz des Films, die Lebensumstände der gezeigten Musiker*innen und die Rolle der Popular Music Studies.

In einem Extra-Panel eines geschützten Raums diskutierte die „AG Positionen“ von IASPM D-ACH mit Tagungsteilnehmer*innen ihre Erfahrungen und Begegnungen mit Rechtspopulismus und -Extremismen in akademischen Kontexten und tauschten sich über Möglichkeiten des (Re-)Agierens aus.

Ein besonderes Highlight war der donnerstägliche Launch des ersten Bands der neuen eigenen Publikationsreihe „~Vibes – The IASPM D-A-CH Series“. Dabei wurde der Tagungsband der 3. IASPM D-A-CH Conference in Bern 2018 von den Herausgebenden und allen beteiligten Autor*innen sowie Assoc.-Prof. Dr. Norma Coates (Western University Ontario, Kanada) kurz vorgestellt. In dieser gereviewten und mit einer ISSN-Nummer versehenen internationalen Reihe wird zur kommenden Tagung in Wien 2022 auch der Paderborner Band erscheinen (hrsg. von Beate Flath, Christoph Jacke, Manuel Troike).

Zum Abschluss der Tagung wurde der Förderpreis „Maria Hanáček“ für den besten Vortrag von karrierejungen Wissenschaftler*innen vor der Promotion verliehen, der dieses Jahr an Lorenz Grünewald-Schukalla mit seinem Vortrag „‘Momentum: Die Kraft, die Werbung Musik heute braucht.‘ Musikbezogene Markenstrategien als Ausdruck der Transformation von einer Musikkultur der Tonträger zu einer Musikkultur digitaler Plattformen“ ging. Zudem wurden das Panel von Chris Kattenbeck, Svenja Reiner und Daniel Suer zur Wissenschaftskommunikation der Popular Music Studies und die beiden Einzelbeiträge von Thomas Sebastian Köhn zu jüdisch-deutschem Hip-Hop und Abner Perez zur Berücksichtigung Ecuadorianischer Minderheiten in den dortigen Hochschulprogrammen zu Popular Music Studies und Popmusikpädagogik besonders lobend erwähnt.

„Wir freuen uns sehr, dass wir durch das digitale Format auch vielen internationalen Gästen und IASPM-Mitgliedern die Teilnahme an der Tagung ermöglichen konnten, die wohl sonst nicht die Reise nach Paderborn auf sich genommen hätten“, so Manuel Troikes Resümee aus Sicht der Veranstaltenden. „Dank der gut funktionierenden Technik und des Engagements aller Beteiligten war die Tagung ein erfolgreiches Austauschtreffen für die internationalen Popular Music Studies." Christoph Jacke ergänzt: „Wir sind stolz, unseren einmaligen Forschungs- und Lehrschwerpunkt ‚Populäre Musik und Medien‘ so vielen Kolleg*innen weltweit vorgestellt und noch weiter und langfristiger verankert zu haben. Besonders hervorzuheben ist die unglaubliche Leistung des tollen kleinen Organisations-Teams um Manuel Troike und die BA- und MA-Studierenden Michelle Maurer, Emily Nass, Diana Pfeifle und Katharina Schmecht.“ Beate Flath hob abschließend nochmals die Rolle von Wissenschaft und Forschung im Zusammenhang mit sozialen, kulturellen, ökologischen und ökonomischen Transformationen hervor, „denn nicht zuletzt sind es auch die Popular Music Studies, die transformierend selbst transformiert werden.“

Das Organisationsteam der Tagung: Manuel Troike, Katharina Schmecht, Diana Pfeifle (oben von links), Prof. Dr. Christoph Jacke, Emily Nass, Michelle Maurer (Mitte von links), Jun.-Prof. Dr. Beate Flath (unten). Foto: Katharina Schmecht, Uni Paderbor…

Das Organisationsteam der Tagung: Manuel Troike, Katharina Schmecht, Diana Pfeifle (oben von links), Prof. Dr. Christoph Jacke, Emily Nass, Michelle Maurer (Mitte von links), Jun.-Prof. Dr. Beate Flath (unten). Foto: Katharina Schmecht, Uni Paderborn.

Unterstützt wurde die Tagung durch Förderungen der Universitätsgesellschaft der Universität Paderborn, der Kommission für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs der Universität Paderborn, des Fachs Musik der Universität Paderborn und der Fachgesellschaften IASPM D-A-CH und IASPM sowie durch „Norient Performing Music Research Network".


Text: Diana Pfeifle, Manuel Troike