CfP: “Decolonizing Europe through Music Scholarship?” / “Europa durch Musikforschung dekolonialisieren?“ September 2020 in Bonn

International Congress of the German Musicological Society

Symposium: “Decolonizing Europe through Music Scholarship?” / “Europa durch Musikforschung dekolonialisieren?“ September 2020 in Bonn! 

Call for Papers
(English/Deutsch)

Symposium der Fachgruppe Musikethnologie und Vergleichende Musikwissenschaft

18. September 2020, Universität Bonn

"Decolonizing Europe through Music Scholarship? Whiteness, Citizenship and Borders"

There are many theories of “decolonization” that have differing valency, priorities and urgencies in different political, academic, and disciplinary contexts. Our definition is still broad, focusing on interrogating the impact of European imperialism on formations of race, class, gender and sexuality, and countering epistemic, methodological and institutional exclusion and violence founded on the racist, sexist, classist, and homophobic legacies of Europe. Europe clings ever more fervently to its self-image as the universal, the source of ‘reason’, ‘knowledge’ and ‘freedom’, while its own populations, institutions and knowledge systems resist, collapse and undermine its own supposed supremacy. It celebrates its tradition of democracy as populist parties erode possibilities for political representation and demand more exclusive categories for citizenship; it marvels at its green technological inventions as it continues to over-consume and pollute; it continues in the pursuit for financial growth as austerity measures increase class and regional divides; it praises its progressive gender politics and LGBT rights as it sends asylum seekers to detention centers and leaves migrants to die in the Mediterranean. A postcolonial project of decolonizing Europe has demanded the continent to address its imperial legacies and continuing neo-imperialisms especially along lines of race, ethnicity, religion, class, gender and sexuality. Today, scholars’ and activists’ calls to decolonize the continent take on a greater sense of urgency but also a complexity within the Europe’s new constellations of power, regions and ideologies. The symposium will focus on issues of whiteness, citizenship and borders to address new constellations of power and exclusion in 21st century Europe.This event will address a wide range of these issues through inspecting music, music making and music scholarship in a variety of contexts:

• How is whiteness constructed or deconstructed musically in Europe today?

• In what ways do music and music scholarship in Europe perpetuate notions of European citizenship based around normative identity categories? How may music in Europe grant or withhold citizenship?

• How can music uphold or transgress ethnic, national and continental borders?

• How does music scholarship engage itself in the construction and imagination of Europe?

• What are the (post-)colonial premises and historical, ideological and institutional underpinnings on which musicology in Europe has unfolded? What are the critical responses to them?

• What does decolonizing Europe mean in the twenty-first century and what are the responsibilities of music scholars?

The goal is todeepen and develop further (ethno)musicological approaches, concepts and strategies addressing these timely and urgent debates. With this symposium we intend to create a transdisciplinary space for exchange on current research projects on the subject “Decolonizing Europe”, representative of the spectrum of musicological work in these contexts. These include, but are not limited to, research fields that are related to ethnomusicology and other fields of social-and cultural musicology. The concept of music is understood broadly and is not limited to any specifications of genre. Please send an abstract (max. 300 words) and a short biography (max. 50 words) by January 26, 2020 to Michael Fuhr (cwm_fuhr@uni-hildesheim.de) and Cornelia Gruber (cornelia.gruber@hmtm-hannover.de).

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"Europa durch Musikforschung dekolonialisieren? Kritisches Weißsein, Staatsbürger*innenschaft und Grenzen”

Es gibt viele theoretische Zugänge zum Thema „Dekolonialisierung“, die in unterschiedlichen politischen, wissenschaftlichen und disziplinären Kontexten verschiedene historisch-situierte Bedeutungen aufweisen. Im Kontext dieses Symposiums fällt der Fokus auf die Auswirkungen des europäischen Imperialismus auf die Konstruktion von Rassifizierung, Klasse, Geschlecht und Sexualität sowie auf das Entgegenwirken folglicher epistemischer, methodologischer und institutioneller Ausgrenzung und Gewalt im Kontext von Musik, Tanz und wissenschaftlicher Praxis. Öffentliche Diskurse über Europa sind von vielfältigen Widersprüchen geprägt: Einerseits klammern sie sich immer heftiger an ein universalisierendes Selbstverständnis von Europa als Quelle von „Vernunft“, „Wissen“ und „Freiheit“, während andererseits die eigene Bevölkerung und die eigenen Institutionen im Kontext pluraler Wissenssysteme dieser essentialisierenden und hierarchisierenden, vermeintlichen Vormachtstellung widersprechen und versuchen, diese aufzulösen. Europäische Nationalstaaten feiern ihre demokratischen Traditionen, während populistische Parteien die Möglichkeiten der politischen Repräsentation untergraben und exklusivere Kategorien für die Staatsbürger*innenschaft fordern. Europa bewundert seine eigenen grünen technologischen Errungenschaften, während die europäische Bevölkerung weiterhin überkonsumiert und dadurch weltweit die Umwelt verschmutzt. Das Streben nach finanziellem Wachstum wird fortgesetzt, während Sparmaßnahmen die regionalen und Klassenunterschiede vergrößern. Europa lobt seine fortschrittliche Geschlechterpolitik und seine LSBT*I*Q -Rechte, während Asylsuchende in Haftanstalten geschickt werden und Migrant*innen im Mittelmeer sterben. Verschiedene postkoloniale Bewegungen zur Dekolonialisierung Europas fordern dazu auf, dessen imperiales Erbe und den fortdauernden Neoimperialismus zu thematisieren, besonders entlang der Differenzierungslinien Rassifizierung, Ethnizität, Religion, Klasse, Geschlecht und Sexualität. Die Forderungen von Wissenschaftler*innen und Aktivist*innen nach Dekolonialisierung und Dezentrierung der Vorstellungen und Strukturen Europas sowie der wissenschaftlichen Praxis gewinnen heute an Dringlichkeit aber auch an Komplexität aufgrund neuer Machtkonstellationen, Regionen und Ideologien in Europa. Das Symposium nimmt die Themen kritisches Weißsein, Staatsbürger*innenschaft und Grenzen in den Fokus, um durch Musik- und Tanzforschung Macht-und Ausgrenzungskonstellationen im Europa des 21. Jahrhunderts kritisch zu begegnen. Anhand von Forschungen zu Musik, musikalischer Praxis und Performance sowie einer Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Institutionen und musikwissenschaftlicher Forschung sollen folgende und weitere Fragen thematisiert werden:

• Wie wird Weißsein heute in Europa musikalisch/klanglich/tänzerisch konstruiert oder dekonstruiert?

• Inwiefern setzen Musik und Musikwissenschaft in Europa Vorstellungen der europäischen Staatsbürger*innenschaft fort, die auf normativen Identitätskategorien beruhen? Wie kann Musik in Europa die Staatsbürger*innenschaft verleihen oder verweigern?

• Wie kann Musik ethnische, nationale und kontinentale Grenzen wahren oder überschreiten?

• Wie beteiligt sich die Musikwissenschaft an der Konstruktion und Vorstellung von Europa?

• Was sind die (post-)kolonialen Prämissen und die historischen,ideologischen und institutionellen Grundlagen, auf denen sich die Musikwissenschaft in Europa entwickelt hat? Was sind kritische Reaktionen darauf?

• Was bedeutet die Dezentrierung und Dekolonialisierung Europas im 21. Jahrhundert und welche Verantwortung tragen darin Musikwissenschaftler*innen?

Ziel ist es, (ethno)musikologische Ansätze, Konzepte und Strategien zu vertiefen und weiterzuentwickeln, um diese in aktuellen Debatten mit einzubringen. Das Symposium soll in multiperspektivischer Weise einen transdisziplinären Raum für einen Austausch über aktuelle Forschungsprojekte und wissenschaftliche Reflektionen zum Thema „Europa durch Musikforschung dekolonialisieren?“ schaffen, der die Bandbreite musikwissenschaftlichen Arbeitens in diesen Kontexten repräsentiert. Hierzu gehören vor allem (aber nicht ausschließlich) Forschungsfelder, die sich der Musikethnologie und der sozial- und kulturwissenschaftlich geprägten Musikforschung angehörig fühlen. Der Musikbegriff wird hierbei als ein offener verstanden, der keinen genrespezifischen Eingrenzungen unterliegt.

Wir bitten um die Einreichung eines Abstracts von max. 300 Worten sowie einer Kurzbiographie von max. 50 Worten bis spätestens 26. Januar 2020 an die Fachgruppensprecher*innen Michael Fuhr (cwm_fuhr@uni-hildesheim.de) und Cornelia Gruber (cornelia.gruber@univie.ac.at). 

CFP, NewsPenelope Braune