CfP: "Musik und Erinnerung", Jahrestagung der GfM, 2019, Paderborn
Jahrestagung der Gesellschaft für Musikforschung, 23.-26. September 2019, Paderborn und Detmold.
Symposium der Fachgruppe Musikethnologie und Vergleichende Musikwissenschaft zum Thema „Musik und Erinnerung“
Die Begriffe Erinnerung und Gedächtnis erfahren seit den 1980er Jahren in unterschiedlichen kultur-, geschichts- und sozialwissenschaftlich orientierten Forschungsdisziplinen eine zunehmende Relevanz. Mithilfe dieser Konzepte etablieren sich in den unterschiedlichen Disziplinen Möglichkeiten, Geschichte(n) als kollektive und subjektiv positionierte Erinnerungen an Vergangenes und Erlebtes zu betrachten. Geschichte(n) kann oder können somit als gesellschaftliches und kollektives Konstrukt im Kontext sozialer und politischer Machtverhältnisse verstanden und beschrieben werden. Doch inwieweit werden Gedächtnis und Erinnerung in aktuellen musikwissenschaftlichen Perspektiven behandelt, als Konzepte produktiv gemacht und umgesetzt? Welchen spezifischen Beitrag zur Erinnerungsforschung können ethnographische bzw. musikethnologische Ansätze und Perspektiven liefern? Im Sinne eines Paradigmas kulturwissenschaftlicher Erinnerungsforschung eröffnet sich (u.a. mithilfe ethnographischer Ansätze und Oral History) ein methodologischer Blickwinkel, der alternative und vormals marginalisierte Zugänge eröffnet. Hierzu gehören unterschiedliche Modalitäten und Materialitäten des (musikalischen) Erinnerns, wie z.B. Lieder, Erzählungen, Mythen, Tonträger, Instrumente, (Feld-) Tagebücher, Denkmäler, Orte und Archive. Sie dienen einerseits als Medien von Geschichte(n) und geben andererseits Einblicke in die sozialen Praktiken und Diskurse, die Erinnerungsprozesse auslösen, generieren oder unterstützen.
Fragestellungen für Beiträge können sein:
• Durch welche körperlichen und diskursiven Handlungen und in welchen Medien materialisiert sich musikalische Erinnerung?
• Wie werden durch institutionalisierte Praktiken und Rituale Erinnerungen (re)konstruiert? Welche Rolle spielen dabei unterschiedliche Ebenen des Musizierens (Musikform/-genre, eingesetzte Technologien, Interaktion, emotionale, sinnliche und kognitive Ebenen des musikalischen Erlebens)?
• Wie sind Erinnerungskulturen und -Orte organisiert? Welche Rolle spielen Archive, Datenbanken, Sammlungen und Ausstellungen? Welche Formen des institutionalisierten Erinnerns werden dabei geschaffen und genutzt?
• Wie und woran erinnern (sich) Musiker*innen und Hörer*innen? In welchen Kontexten und Situationen wird erinnert – mit welcher Intention und welchem Effekt? Welche Rolle spielen dabei Generation, Alter, Geschlecht und Sexualität?
• Inwiefern werden musikalische und klangliche Ausdrucksformen als Beitrag zur Formierung individueller und kollektiver (z.B. nationaler; diasporischer; vergeschlechtlichter) Identitäten begriffen und erinnert?
• Wie werden Vorstellungen von Zeitlichkeit über Erinnerungsformen und -praktiken verhandelt? (z.B. postkoloniale Melancholie, sentimental citizenship, musikalische Nostalgie)
• Wer übt mit welcher Intention und mit welchen Mitteln (politischen, bzw. institutionellen) Einfluss auf Erinnerungskulturen aus? Welche Geschichte(n) wird und werden instrumentalisiert, während andere Erinnerungen und Positionen nicht erinnert, verschwiegen und vergessen werden? (z.B. das Gedenken historischer Ereignisse zum Verdecken aktueller Diskriminierung)
• Welche interdisziplinäre Methoden, Ansätze und Denkstrukturen werden in der musikwissenschaftlichen Erinnerungsforschung aufgegriffen (z.B. der Gender Studies,
Minderheitenforschung oder Post-Colonial Studies), um diese Machtdiskurse offenzulegen? Welche Genealogien und Gegen-Narrative/-Erinnerungen lassen sich dadurch erzeugen?
Das Symposium soll in multiperspektivischer Weise einen transdisziplinären Raum zum Austausch über aktuelle Forschungsprojekte zum Thema Musik und Erinnerung / Gedächtnis schaffen, der die Bandbreite musikwissenschaftlichen Arbeitens in diesen Kontexten repräsentiert. Hierzu gehören vor allem (aber nicht ausschließlich) Forschungsfelder, die sich der Musikethnologie und den sozial- und kulturwissenschaftlich geprägten Musikwissenschaften angehörig fühlen. Der Musikbegriff wird hierbei als ein offener verstanden, der keinen genrespezifischen Eingrenzungen unterliegt.
Wir bitten um die Einreichung eines Abstracts von max. 300 Worten sowie einer Kurzbiographie von max. 50 Worten bis spätestens 31. März 2019 an die Fachgruppensprecher*innen Michael Fuhr (cwm_fuhr(at)uni-hildesheim.de) und Cornelia Gruber (cornelia.gruber(at)hmtm-hannover.de).